Vor dem Abriss der benachbarten Fabrik lag das Haus direkt am Dorfbach.

Baugeschichtliches


Entstehung und Baugeschichte des Doppelhauses Mitteldorf 1 und 3 lassen sich nur aufgrund der Bauanalyse erfassen und beschreiben, da keine originalen Pläne, einschlägigen Schriftstücke oder Bauinschriften bekannt sind.


Die Fassaden mit den symmetrisch angeordneten Zwillingsfenstern und dem leicht geknickten Satteldach sowie die ursprünglichen Teile der Innenausstattung lassen darauf schliessen, das Haus sei am Ende des 18. Jahrhunderts von Grund auf neu erbaut worden. Ein bemalter Kachelofen im südwestlichen Raum des Erdgeschosses trägt die Signatur «Meister Fridolin Leuzinger, Hafner in Glarus, 1793». Der Ofen wurde zweifellos für den gegenwärtigen Standort errichtet; man darf in diesem Fall mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, seine Jahrzahl bezeichne in etwa die Fertigstellung des Hauses. Derselben Zeit lassen sich nämlich andere Teil der ursprünglichen, noch spätbarocken Innenausstattung mühelos zuordnen: so die Balustergeländer der Treppe, manche Beschläge an Fenstern und Türen, die Profile der Felderdecken und der gestemmten Füllungen an Türen und Kästen sowie einzelne Fussböden.


Zur ursprünglichen Bausubstanz scheinen auch das Waschhaus und der Holzschopf zu gehören, die die Südseite des vorgelagerten Gartens abschliessen.


Einige Umgestaltungen wurden in den Jahren um 1870/80 vorgenommen; so an der Südseite das Doppelportal in Formen der Neurenaissance. Deckenstukkaturen im westlichen Gang des EG; etliche Vorhanggalerien und Parkettböden sowie zwei Kachelöfen. Vermutlich erneuerte man damals auch die Fenster der südlichen Haushälfte und manche Fensterläden.


Später erfuhr das Haus nur noch im Bereich der Küchen und Küchenkammern Veränderungen und Umbauten.


Die Liegenschaft


Sie umfasst das Wohnhaus, einen umfriedeten Garten gegen Westen und Süden sowie ein Waschhaus mit angefügtem Holzschopf an der Südseite.


Äusseres


Das Wohnhaus hat einen quadratischen Grundriss von ca. 12.5 Metern Seitenlänge. Es ist massiv bemauert und weist ein Erdgeschoss, zwei Voll- und zwei Dachgeschosse auf. Es ruht unter einem Satteldach mit leicht geknicktem Fuss und zeigt unter den Vorsprüngen verputzte Hohlkehlen. Zwei grosse Lukartnen und zwei kleinere Gaupen dienen seit jeher der Belichtung von Dachräumen. Das Gebäude bewahrt in seiner nördlichen Hälfte noch die ursprünglichen Fenster mit feiner 6er-Sprosseneinteilung und alten Beschlägen; die erneuerten Fenster der südlichen Hälfte zeigen nur noch zwei Quersprossen. Erhalten haben sich einige ursprüngliche (geschlossene) Brettläden mit Einschubleisten; die meisten von ihnen wurden jedoch später (um 1870/80?) durch Läden mit beweglichen Jalousien ersetzt.


An der südlichen Giebelseite fallen die zwei Haustüren aus der Zeit um 1870/80 auf, die von drei Pilastern und einem Gebälk im Stil der Neurenaissance portalartig gerahmt werden. Die beiden Türflügel mit ihren zierlichen Gusseisengittern sind in entsprechender Weise gestaltet.


In der Mitte der nördlichen Giebelseite tritt ein schmaler Anbau vor, der ursprünglich wohl die Aborte aufnahm, heute aber verputzt und mit einer Terrasse abgeschlossen ist. Beiderseits führt eine Treppe zu den zwischengeschossig angeordneten Haustüren aus der Bauzeit um 1792.


Inneres


Das Innere ist als zweiraumtiefes und -breites Doppelhaus mit zwei getrennten Treppenhäusern in der Mitte angelegt. Diese Grundrisslösung findet sich im 17., 18. und 19. Jahrhundert im Glarnerland da und dort bei Holz- und Steinhäusern, also bei sogenannten Bauern- und Bürgerhäusern. Im Erdgeschoss sind die beiden Gänge durchgehend; in den Obergeschossen dagegen beanspruchen Treppen und Gänge nur noch die halbe (nördliche) Haustiefe. Die Innenwände sind – wie üblich – als Fachwerkkonstruktion ausgebildet und in den Wohnzimmern mit einfachen Täfern mit Rahmen und breiten Füllungen verkleidet.


Erdgeschoss


Gang Ost mit schönem ursprünglichem Tonplattenboden (verschränkte Achtecke) und vorabriziertem Deckenstück aus der Zeit um 1870/80. Zimmer Südwest mit Einbaukasten und bemaltem Kachelofen von 1793.


Treppenhäuser


Geländer mit schönen spätbarocken Balustern, wie sie für das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts charakteristisch sind.


1. Obergeschoss


Zwei Stuben mit spätbarocker Felderdecke, schlichtem Täfer und neuerem Parkettboden.


Stube Ost: Einfache Kastenfront; stattlicher Kastenofen mit weissen Kacheln und goldfarbenen Ornamenten. 3. Drittel 19. Jahrhundert.


Stube West: Schöne Biedermeier-Türe und -Kastenfront mit Wurzelmaser, 2. Viertel 19. Jahrhundert. Kastenofen mit grünen Reliefkacheln (Mitte 20. Jahrhundert?) und alter Ofentreppe.


2. Obergeschoss


Schlichte Stubenkammern mit Felderdecken und schmucken Vorhanggalerien mit geschnitzten neubarocken Verzierungen (um 1870/80).

Stubenkammer Ost: Runder weisser Kachelofen mit Kuppel und Urne (aus der Zeit vom 1793 (Louis XVI) oder um 1840. Die hinteren Kammern wurden mit Zwischenwändchen nachträglich unterteilt und als Badezimmer eingerichtet. Einbaukasten aus der Bauzeit.


Dachgeschosse


Sorgfältig gezimmerter Kehlbalkenstuhl , teilweise abgefasste Balken. Verbindungen mit Holznägeln. Kleiner Saal: Wände und Decken gegipst mit einigen einfachen, von dilettantischer Hand ausgeführten figürlichen Stukkaturen, vermutlich um 1793.


Garten


Schmuckes Gitter; ehemaliger Ziergarten mit Buchs, Überreste einer kleinen späteren Grotte (um 1870/80).


Waschhaus und Holzschopf


Waschhaus massiv gemauert; Satteldach; spätbarocke Türe, Beschläge und Fenster. Im EG die ursprüngliche, sehr seltene und darum wertvolle Wascheinrichtung. Im OG kleiner Saal. Daneben Holzschopf, eine Ständerkonstruktion mit Zierbretter-Verschalung.


Würdigung


Wohnhaus und Oekonomiegebäude bewahren bis heute weitgehend das Aussehen und aussergewöhnlich viel Substanz aus der Bauzeit um 1792/93. Das schlichte Wohnaus reiht sich unter die zeitgleichen Häuser von Handelsherren an der Oberen Säge in Ennenda. Im Kanton finden sich noch manche ähnliche Häuser, aber nur wenige davon mit so wenigen Eingriffen aus dem 20. Jahrhundert.


© 2002 Dr. Jürg Davatz, Beauftragter
für kulturelle Angelegenheiten, Glarus

Das Mitteldorf rechts vor dem Abriss der Fabrik und der Überdeckung des Dorfbaches. Foto: © Landesarchiv Glarus